Blockchain – neue Regulierung digitaler Vermögenswerte

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Seit Anfang 2020 werden digitale Vermögenswerte in Deutschland neu reguliert. Die veränderten Vorschriften erfordern eine behördliche Erlaubnis für Unternehmen, die Dienstleistungen mit Bezug auf Kryptowerte anbieten.

Digitale Vermögenswerte, wie der Bitcoin, erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Ein ausführlicher Artikel zu Kryptowährungen als Zahlungsmittel wurde bereits hier veröffentlicht.

Hinter diesen digitalen Währungen steckt ein kryptografisch abgesichertes Zahlungssystem (=Blockchain), mit dem eigentlichen Ziel am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilzunehmen, ohne die Abhängigkeit, Aufsicht oder Mitwirkung von Banken und Behörden.

Was ist eine Blockchain und wie funktioniert sie?

Die Blockchain setzt sich aus einzelnen Datenblöcke zusammen. Dies kennt man bereits als Datensätze, die jeder Computer in seinem Speicher liegen hat. Das Neue ist die Kette (engl. Chain). Ähnlich Perlen auf einer Schnur aufgereiht setzt die Blockchain nacheinander einzelne neue Datenblöcke in die Kette ein, in chronologischer Folge. So entsteht eine Art aus jedem Geschäftsvorfall („smart contract“) eine Art digitaler Schnur.

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Wie entstehen die Datenblöcke der Kette? Nehmen wir ein einfaches Bankkonto als Musterbeispiel und bilden diese Block-Kette. Das Konto wird heute eröffnet und in Block 1, 2 und 3 stehen Name, Adresse und Kontonummer des Kunden. Der Kunde zahlt 2.000 Euro ein und es entsteht am Monatsanfang der Block Nummer 4 mit dem Kontostand (2.000 Euro). Später kommt das Gehalt des Kunden aufs Konto. Dieser Geldzugang (4.000 Euro) lässt Block 5 entstehen. Hieraus folgt der neu gebildete Block 6 mit dem neuen Kontostand (6.000 Euro). Und so weiter.

Mit jedem Ein- oder -auszahlung entsteht ein neuer Datenblock und verlängert die Datenkette. Was ist daran neu, dass ein Kontoauszug sich von einer altbekannten Liste in eine neuartige Kette wandelt? Jeder Eingriff in das Konto erzeugt einen eigenen neuen, zusätzlichen Datenbaustein (smart contract). Dieser wird gespeichert, sozusagen digital in Steil gemeißelt. Und niemals wird gekürzt, kein Block wird gelöscht, der die Datenspur verwischen könnte.

Einen Kontoauszug kann man fälschen – nicht aber dessen 1.000 oder 10.000 Kopien

Denken wir ausnahmsweise einmal kriminell, wie ein gemeiner Betrüger. Der, nehmen wir an, verschafft sich Zugang zu den Bankdaten und belastet den Kunden über dessen Konto unerlaubt mit 1.000 Euro. Damit er mit seinem Diebesgut nicht gleich erwischt wird, fälscht der Betrüger zugleich den Kontoauszug, so dass ihm weder Kunde, noch die Bank auf die Schliche kommen können. Noch nicht!

Denn die Blockchain „vergisst“ nichts. Jeder Eingriff in die Kette lässt einen eigenen Datenblock aufleben, der an die immer länger werdende Datenkette angebaut wird. Anders als beim Kontoauszug heute müsste der Dieb bei der Blockchain nicht nur einen einzigen Kontoauszug frisieren, sondern deren 1.000 oder gar 10.000! Die Daten der Blockchain werden in zighunderten Daten-Clouds und Servern dezentral und an zig verschiedenen Orten aufbewahrt. Die Blockkette erzeugt bei unserem Beispiel-Konto eine Art eigene DNA.

So funktionieren Kryptowährungen auf Blockchain-Basis

Eine Daten-DNA für jedes Konto

Jedes Mal, wenn das Bankkonto verändert wird, prüfen das 1.000 Maschinen, weltweit verteilt und vernetzt im Internet. Passt die digitale DNA eines Vorgangs bei einem Rechner nicht zu den 999 anderen identisch notierten Blockchains, dann lehnt die virtuelle Maschine den Deal ab.

Genauer gesagt blocken den Deal dann die anderen 999 (oder 9.999 oder 99.999) Rechner im weltweiten Netz. Bestätigt das Blockchain-Netz einen Geschäftsvorfall als korrekt, dann kann etwa der Vermieter dem Bankkunden die Miete abbuchen, ein neuer Block ergänzt die Kette. Vor gefälschten Daten ist die Chain also sicher (das sagen jedenfalls die Werber für die neue Technik).

Merke: Für nur zwei Vertragspartner, etwa Bank und Kunde, braucht man die neue Technik nicht. Bedeutend wird die Blockchain, sobald hunderttausende Partner mit im Boot sitzen … mit 100.000 Bankkonten oder 200.000 Versicherungsverträgen. Die Blockchain System kann sich selbst verwalten. Einen Abwickler, Bank oder Versicherung, braucht die Blockchain in ihrer Endstufe nicht mehr.

Auch Dienstleister wie Visa oder American Express könnten durch die Chain bald überflüssig werden. Am Ende kann die Blockchain als unendlich langer, zigtausendfach gegenseitig selbst-kontrollierter Algorithmus ohne die bekannten Abwickler und deren Kosten auskommen. So etwas kann man sodann als disruptiv bezeichnen: indem eine neue Technik in bestehende Märkte „einbricht“ und Arbeitsabläufe und Kosten überflüssig macht. Dennoch braucht die Blockchain ihre Macher, Menschen, die das System in neue Märkte drängen. Und die daran verdienen. Früher hieß es beim Kartenspiel: Wer schreibt, der bleibt. Heute: Wer Blockchains programmiert, wird reich.

So funktioniert eine Blockchain

Wie eine Blockchain funktioniert und welche Vorteile sie bietet, zeigt unsere Infografik.

Grundlage ist EU- Richtlinie

Ursache für die Änderungen ist die 5. EU-Geldwäscherichtlinie (EU-Richtlinie 2018/843 vom 30. Mai 2018). Der deutsche Gesetzgeber hat die Verwahrung von digitalen Vermögenswerten für Dritte als neue erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung in das Kreditwesengesetz (KWG) eingefügt.

Die EU- Richtline schreibt nur die Einbeziehung der Anbieter elektronischer Geldbörsen zur Verwahrung virtueller Währungen in den Kreis der Verpflichteten vor.

Mit der Schaffung einer neuen Erlaubnispflicht für Finanzdienstleistungen rund um digitale Vermögenswerte geht die deutsche Regelung deutlich über das hinaus, was auf europäischer Ebene gefordert ist.

Konkrete Änderungen

Im Detail bedeutet das: Wer mit seinem Geschäftsmodell auf Bitcoins oder andere Kryptowährungen setzt, benötigt eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Die BaFin verlangt von Geschäftsleitern, die in die Erlaubnispflicht fallen, eine einschlägige Berufsausbildung oder ein Studium im juristischen oder wirtschaftlichen Umfeld, plus praktische Berufserfahrungen in Bankgeschäften.

Die Verwahrung, die Verwaltung und die Sicherung von Kryptowerten oder privaten kryptografischen Schlüsseln, die dazu dienen Kryptowerte zu halten, zu speichern oder zu übertragen, sind laut den neuen §§1 Abs. 1a S. 2 Nr. 6 und Abs.11 S. 4, 5 KWG nun erlaubnispflichtige Finanzdienstleistungen.

Das Betreiben von regulierten Finanzdienstleistungen ohne die entsprechende BaFin-Lizenz stellt eine Straftat dar, die mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist.

Allerdings gibt es eine gesetzliche Übergangsregelung für alle Unternehmen, die 2019 ein Geschäft angeboten haben, welches nun erlaubnispflichtig wurde. Diese Firmen können auch 2020 ihr Unternehmen ohne BaFin-Lizenz weiter betreiben, wenn sie der Finanzdienstleistungsaufsicht bis zum 31. März 2020 schriftlich ihre Absicht zur Stellung eines Erlaubnisantrags kenntlich machen und anschließend einen vollständigen Erlaubnisantrag bis zum 30. November 2020 nachreichen.

Für Unternehmen, die ihr Geschäft allerdings erst neu im Jahr 2020 aufnehmen möchten, gilt dies nicht. Diese müssen zuvor das komplexe BaFin-Erlaubnisverfahren durchlaufen.

Tragweite der neuen Regelung

Der Begriff „Kryptowerte“ ist im Kreditwesensgesetz recht weit gefasst und reicht von Blockchain-basierten Bezahleinheiten, wie den Bitcoin, bis zu tokenisierten Anlageprodukten, wie beispielsweise digitale Wertpapiere (Security Token).

Da die temporäre Verwahrung fremder Kryptowährung in beinah allen Blockchain Geschäftsmodellen vorkommt, bedürfen nun viele Unternehmen einer entsprechenden BaFin- Erlaubnis. Die Neuregelung ist somit nicht nur in der Theorie relevant.

Häufig sind Unternehmen, die Dienstleistungen rund um digitale Vermögenswerte anbieten, Startups mit jungen Geschäftsführern, welche die neuen Anforderungen an Berufserfahrung meist noch nicht erfüllen.

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Folglich müssten sie erfahrenes und teureres Führungspersonal einstellen, was einen hohen Kosten- und Verwaltungsaufwand darstellt. Unternehmen, die Dienstleistungen in diesem Sektor anbieten, haben mit nicht unerheblichen regulatorischen Vorgaben zu kämpfen.

Dadurch, dass die deutsche Vorschrift weitreichender ist, als die europäische Richtlinie, besteht die Gefahr, dass innovative Blockchain-Geschäftsmodelle ins (noch) nicht regulierte europäische Ausland verlagert werden.

Hinzutritt, dass das europäische Passporting –das europaweite Anbieten von Finanzdienstleistungen- nur eingeschränkt genutzt werden kann. Die Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden innerhalb Europas wird erschwert, zumindest bis es eine einheitliche europäische Regelung gibt.

Gleichzeitig zeigt es aber, dass der Gesetzgeber die Bedeutung der Blockchain-Technologie für den modernen und digitalen Finanzmarkt erkannt hat und mehr Sicherheit für Anleger schaffen möchte, indem er Regelungslücken festgestellt und geschlossen hat. Die nun entstehende Regulierungsdichte bietet für Anbieter und Investoren höheren Schutz, Legitimität und Sicherheit und könnte den Mehraufwand für die Betroffenen damit ausgleichen, dass dadurch kleinere Unternehmen besser an Investitionsmittel und Kunden gelangen.

Wie so häufig, gibt es auch hier unterschiedliche Betrachtungsmöglichkeiten. Auf der einen Seite erschwert es das Arbeiten für die betroffenen Unternehmen und greift einer einheitlichen EU- Vorschrift vorweg, andererseits liefern die Neuregelungen einen umfassenderen Schutz für Anleger. Inwieweit Deutschland diesbezüglich als Vorreiter verstanden werden kann und wie schnell die EU nachzieht, wird sich zeigen.

Der Nutzen der Blockchain am Beispiel einer Versicherung

Die Axa-Versicherung verkauft unter https://fizzy.axa/ eine neue Police, die sich bei Flugverspätung buchstäblich selbst bezahlt, man kann es nicht anders ausdrücken. Technische Basis hierfür ist die sogenannte Blockchain, ein neue IT-Technik, die technische Abläufe sicherer, schneller und einfacher machen soll. Und die – wie im vorliegenden Fall – ohne menschliches Zutun funktionieren kann.

Für Kunden ist eine Police, die bei verspätet gelandeten Fliegern bezahlt, eigentlich weder neu, noch spektakulär. Kommen sie verspätet am Zielflughafen an, fließt Geld. Für die Versicherer ist die Blockchain-Technik hinter der Flugpolice geradezu revolutionär. Diese Police macht sich automatisch selbst bezahlt, weil der Große Bruder Computer im Schadenfall automatisch Geld an die Kunden schickt. Alle Arbeitsschritte der Police finden im Dunkeln (IT-Deutsch) statt. Dies meint: ohne menschliches Zutun, weswegen bei diesem Verfahren auch keine Personalkosten entstehen.

Der Effekt der Blockchain

Die Kundengelder, die Beiträge, kommen ohnehin automatisch zum Versicherer, weil die Flugpassagiere ihre Police über eine App auf dem Smartphone einkaufen. Schadenfälle werden von alleine ausgelöst und erledigt, weil der Versicherer die Flugdaten der versicherten Flüge zu IST- und SOLL-Landezeiten der Flieger automatisiert abgleicht. Landet etwa der Flug Lufthansa LH001 zu spät in Frankfurt, dann kriegt der vernetzte Großrechner das mit. Er findet automatisch alle auf Flug LH001 versicherten Passagiere und schickt diesen Kunden Geld, so viel in der Police versichert.

Kein Kunde muss mehr ein Schadenformular anfordern, ausfüllen, an die Versicherung mailen, warten oder gar reklamieren. Die Verspätungs-Entschädigung schickt der Versicherer unaufgefordert. Eine Schadenakte mit Papier, Stempeln, erster und zweiter Unterschrift des Schadenbearbeiters: gibt es nicht mehr. Weswegen die aufstrebende Blockchain-Technik wohl auch Jobs kosten wird.

Die automatische Prüfung, ob ein im Vertrag festgehaltenes Ereignis eingetreten ist oder nicht, hat auch zur Namensgebung geführt. Auf Blockchain-Technologie basierende Verträge bezeichnet man als Smart Contracts. Mehr dazu in unserem Ratgeber:

So funktionieren Smart Contracts

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