Cringle und Lendstar - Sharing is caring – oder doch nicht?

Nachdem am 28. August die Betreiber der mobile Payment-App Cringle Insolvenz anmelden mussten, erwischt es einen Tag später Lendstar – eine APP, mit der sich Geld unter Freunden senden und empfangen lässt. Im Oktober 2016 hatte es bereits Cookies erwischt – eine Art Messenger mit Überweisungsfunktion. Das insolvente Startup wurde letzten Endes vom Zahlungsdienstleister „Klarna“ übernommen. Alles in allem drei Unternehmen, bei denen es darum geht, dass sich Personen untereinander Geld leihen oder Geld schicken – getreu dem Motto „Sharing is caring“.

Sharing ist eben nicht immer gleich caring

„Sharing is caring“ – das ist gefühlt das Motto einer ganzen Generation, schaut man sich die Vielzahl an Plattformen an, über die man sich von der Bohrmaschine bis zum Auto alles leihen kann. „Leihen ist das neue Besitzen“ wäre eine treffende Beschreibung dieses Zustandes. Und genauso, wie einige Marktteilnehmer dann mit den geliehenen Gegenständen umgehen, ist es mit dem Geld – ganz besonders, wenn es sich um Leihgaben von Freunden handelt. Denn diese werden, so oftmals der Gedanke des Beglückten, schon nicht so penetrant auf eine pünktliche Rückzahlung pochen, wie es eine Bank tun würde – inkl. Inkasso und negativem Schufa-Eintrag.

Geld leihen war schon immer einfach, es zurückzubekommen jedoch nicht

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Als Mittzwanziger ist man da oftmals noch unbeleckt. Als Mittvierziger hingegen hat fast jeder schon die leidvolle Erfahrung gemacht, dass es einfacher ist, Geld zu verleihen, als dieses dann später zurückzubekommen – unverschämterweise noch im vereinbarten Zeitrahmen und mit dem vereinbarten Obolus, vulgo Zinsen genannt.

Für den eigentlichen Akt des Verleihens benötigt man auch nur selten eine APP. Meist wandern Geldscheine von einer Hand in die andere oder es wird eine Überweisung getätigt, was dank Instant Payment heutzutage sogar so schnell passiert, dass der gerne beworbene Zeitvorteil der Payment-Apps hinfällig geworden ist.

Die Schwächen des Geschäftsmodells von Lendstar, Cringle und Cookies für den deutschen Markt

Wer macht sowas öfter und warum dazu eine App nutzen? Diese Frage stellen wir uns seit Jahren und landen damit direkt wir bei den Schwächen des Geschäftsmodells:

Beim Geld hört die Freundschaft auf, denn Geld verleiht man nicht

Abgesehen von den bereits genannten Mittzwanzigern verleiht in Deutschland niemand im größeren Stil Geld innerhalb seines Freundeskreises und wenn er es doch mal macht, dann wird entweder Bargeld in die Hand genommen oder eine stinknormale Überweisung getätigt – so zumindest in „Good old Germany“.

Bei der Rückzahlung des geliehenen Geldes steht man übrigens ganz alleine da: keine der Apps unterstützt den, der seinem guten Freund aus der Patsche geholfen hat, mit aktivem Inkasso oder ähnlichen Mitteln. Nein, bei dem Thema halten sich die Anbieter vornehm zurück und verweisen auf den Rechtsweg.

Lendstar schreibt bei seiner Funktion Geld leihen“ dazu: „Du hast einen gesetzlichen Anspruch auf das Geld und bist berechtigt, rechtliche Schritte gegen das Mitglied einzulegen. Sollte es tatsächlich dazu kommen, wird Lendstar dir die vollständige Dokumentation des Leihvorgangs zur Verfügung stellen.“ Bei der Funktion „Vorstrecken“ dasselbe: „Das Gruppenmitglied, dem du Geld vorgestreckt hast, kann dir das Geld bis zum Ablaufdatum der Rückzahlungsanfrage zurückzahlen. Wir werden deinen Freund ggf. per SMS und/oder E-Mail an seine ausstehende Rückzahlung erinnern.“

Als spendabler Geldgeber stehe ich also ganz alleine da, wenn ich mein Geld nicht zurückbekomme, und hab die Wahl zwischen Pest und Cholera: Rechtsweg bestreiten und Freundschaft aufs Spiel setzen oder Freundschaft bewahren und aufs Geld bzw. dessen pünktliche Rückzahlung verzichten.

Geld für gemeinsame Aktivitäten sammeln

Auch das Versenden von Geld an Freunde, wie es Cringle und Lendstar angeboten haben, ist eine Funktion, die a) nicht täglich genutzt wird und b) nicht immer praktikabel ist. Das von den Anbietern so gerne zitierte Beispiel einer Restaurantrechnung zeigt das Problem auf: Der propagierte schnelle Ablauf funktioniert nur wirklich reibungslos, wenn alle ihr Smartphone dabei haben und alle dieselbe APP nutzen. Einfacher und schneller kommt man daher ans Ziel, wenn jeder seinen Teil der Rechnung direkt bei der Bedienung zahlt oder man nimmt die Variante für gute Freunde: Heute zahle ich, morgen Du.

Woran verdienen die Anbieter?

Für die Startups die Mutter aller Fragen. Also gehen wir ihr nach: woran verdienen die App-Anbieter, also was ist ihr Erlösmodell?

Kosten für die User? Nichts da

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© thinkstockphotos by GaudiLab

Cringle schreibt dazu „Geld senden und empfangen ist mit Cringle komplett kostenlos. So macht es noch mehr Spaß, Kosten mit Deinen Freunden zu teilen.“

Bei Lendstar ist es nicht anders: „Die Lendstar-App ist kostenlos. Du kannst sie dir gratis im Apple App Store oder bei Google Play herunterladen. Auch die Nutzung der einzelnen Funktionen von Lendstar ist kostenlos.“ Ist auf der Webseite zu lesen.

Kosten für die Banken – daher weht der Wind

Einer muss immer die Rechnung zahlen, also können die Gebühren nur noch bei den Banken anfallen, über die die Transaktionen abgewickelt werden oder die ihren Kunden eine der Apps zur Nutzung anbieten. Bei Cringle ist das zum Beispiel die Deutsche Kreditbank (DKB) und bei Lendstar gibt es so genannte Co-Branding-Versionen für die Sparda-Bank Berlin, die VR Bank München und die Volksbank Hellweg.

Wir kennen die Gebühren und Kosten nicht im Detail, können uns aber vorstellen, dass jede Bank über kurz oder lang bemüht sein wird, von ihrer Kundschaft genutzte Funktionen in die eigene Banking-App zu integrieren. Spart Kosten und verschafft Hoheit über Prozesse und Daten. Die Ambitionen der Banken, ihren Kunden die Dienste von Lendstar oder Cringle anzubieten, dürften also eher verhalten sein. Ein Faktor, der unserer Einschätzung nach bei der Planung des Geschäftsmodells zu kurz gekommen ist.

Unser Fazit

Geld an Freunde senden – zu kleine Zielgruppe, kein Interesse bei Banken

Das Teilen von Rechnungen oder das Überweisen von Geld an Freunde sind – zumindest für den deutschen Markt – derzeit keine Geschäftsmodelle, die skalieren, wie es die Startup-Szene so gerne nennt. Es gibt mit Sicherheit eine Zielgruppe, nur ist die zu klein und darüber hinaus daran gewöhnt, alle Leistungen kostenlos in Anspruch nehmen zu können. Die Banken werden mehr Interesse daran haben, die Kunden in der eigenen Banking-App zu halten.

Geld verleihen – macht man einmal, danach meist nur noch mit Pfand

Am Verleihen von Geld sind schon so viele Freundschaften zerbrochen, dass man es mit Sicherheit nicht häufig macht. Auch hier fehlte unserer Meinung nach von Anfang an der Use-Case für wiederkehrende Nutzung der Funktion.

Geld verleihen mit Inkasso oder direktem Factoring

Eine Idee, die uns beim Schreiben dieses Artikels kam, und die sich primär an Lendstar richtet: verknüpft das Verleihen von Geld mit einem Inkassoverfahren oder der Möglichkeit, ausstehende Forderungen direkt an ein Factoring-Unternehmen zu verkaufen, denn der Fall wird eintreten, da geben wir Brief und Siegel.

Auf der anderen Seite: wenn der Nutzer schon weiß, dass sein Freund bezüglich Geld ein Hallodri ist oder die App mit Begriffen wie „Inkasso“ oder der Vermeidung von „Zahlungsausfällen“ wirbt, dürfte alleine die Nennung solcher Begriffe viele davon abhalten, entsprechende Funktionen überhaupt erst zu nutzen.

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